22. Februar 2022 Sabine Metzger

Nachhaltigkeit auf Knopfdruck gibt es nicht

Besser Bio-Äpfel aus Übersee oder konventionelle aus der Region? Georg und Magdalena Schneider vom Familienbetrieb und food.net:z-Mitglied Der Apfel Schneider aus Edingen-Neckarhausen haben dazu eine eindeutige Position. Im Interview sprechen sie über den langen Weg zur Nachhaltigkeit, die Hürden, die landwirtschaftliche Betriebe dabei überwinden müssen – und die Möglichkeiten, die sie haben.

 

Monika, Magdalena und Georg Schneider vor ihrem Hofladen

Monika, Magdalena und Georg Schneider vor ihrem Hofladen. Bild: Schneider 

 

Ihr Familienbetrieb hat ein breit gefächertes Angebot. Baumschule einerseits, Obstprodukte andererseits – auf welchem Gebiet ist es leichter, nachhaltig zu handeln?

Georg Schneider: Leichter ist es auf jeden Fall in der Baumschule, da wir hier eine reine Bodenbearbeitung machen – mit der Maschine oder mit der Hand. Auch der Pflanzenschutz ist in der Baumschule nicht so intensiv wie beim Obstbau. Beim Obstbau mache ich derzeit noch keine Bodenbearbeitung. Unter den Bäumen haben wir immer noch einen Herbizidstreifen. Aber wir tragen uns langsam mit dem Gedanken, mehr in die Bio-Richtung zu gehen, da fallen Herbizide ganz weg. Mechanische Unkrautbekämpfung ist aber sehr kostenaufwendig.

 

Welche Aktivitäten verfolgen Sie jetzt schon in Sachen Nachhaltigkeit?

Georg Schneider: Bei der Bekämpfung des Apfelwicklers wenden wir eine biotechnische Maßnahme an, hier hängen wir Pheromonfallen auf. Da können wir den Schädling genau beobachten und auswerten, wann die Eiablage ist, wann der höchste Flug – und wann man dann notfalls ganz gezielt ein Produkt einsetzen muss. Zudem werden die Männchen durch die Pheromone verwirrt: Es riecht überall nach Weibchen, sodass sie die richtigen Weibchen gar nicht mehr finden. Dann kommt es gar nicht erst zur Eiablage. Das reduziert auch noch einmal zusätzlich die Menge an Pestiziden, die wir einsetzen müssen.

 

Welchen Grundsätzen folgen Sie dabei?

Magdalena Schneider: Das Prinzip nennt sich Integrierter Pflanzenschutz. Hier sorgt man erst einmal mit technischen oder biologischen Maßnahmen für optimales Wachstum. Chemische Hilfsmittel werden nur als Notfallmaßname angewendet, wenn es nicht anders geht. Es ist uns wichtig, dass wir den Boden schützen und nicht einfach draufhauen, was geht. Der Integrierte Pflanzenschutz setzt übrigens schon ganz am Anfang an.

 

Und wo ist das?

Magdalena Schneider: Bei der Auswahl der Obstsorten. Wir haben oft neue Züchtungen, die gegen bestimmte Krankheiten von vornherein resistent oder tolerant sind. Auch das hilft, Pflanzenschutzmittel zu reduzieren. Wir haben aber ja nicht nur die Möglichkeit, beim Anbau nachhaltig zu wirtschaften, sondern auch bei Verpackung und Vermarktung – und das tun wir auch.

 

Inwiefern?

Magdalena Schneider: Unsere Säfte, insbesondere der „Stiefkind“-Saft, wird nur in Mehrweg-Glasflaschen abgefüllt, hier gibt es kein Plastik. Ein großes Plus in Sachen Nachhaltigkeit ist auch unsere Vermarktungsstrategie: Wir vertreiben unsere Produkte so direkt wie möglich an den Kunden, beispielsweise über Wochenmärkte oder über unsere „Apfeltankstelle“, ein 24/7-Selbstbedienungsladen hier auf dem Hof. So vermeiden wir lange Lieferketten und Transporte – mit der entsprechenden CO2-Ersparnis. Regionalität ist bei uns höchstes Gebot.

 

Was halten Sie von Bio-Äpfeln aus Übersee?

Georg Schneider: Mit angeblichen Bio-Äpfeln aus Chile oder Neuseeland habe ich ein richtiges Problem. Die werden mit Schiffen hierher transportiert, die mit Schweröl betrieben werden und entsprechend CO2 ausstoßen. Oft wird damit argumentiert, dass wir unsere Äpfel über Monate im Kühllager aufbewahren müssen, das wiederum Strom verbraucht. Aber so ein Kühllager kann man mit Ökostrom betreiben, und wir haben auch eine Solaranlage auf dem Dach. Wir denken übrigens darüber nach, unsere Aktivitäten in Sachen Nachhaltigkeit noch wesentlich auszuweiten, aber dabei stoßen wir auf Hindernisse.

 

Welcher Art?

Georg Schneider: Wir haben ein neues Projekt angestoßen. Wir suchen zusammen mit einem Investor eine große Fläche, auf der wir die Produktion unserer „Stiefkinder“ ausweiten können. Diese besonderen rotfleischigen Äpfel werden bei uns ausschließlich zur Saftproduktion angebaut, und kommen mit wesentlich weniger Pflanzenschutzmitteln aus als andere Sorten: Diese Apfelsorte ist zum einen nicht so schorfempfindlich, zum anderen wird sie schon im August und September abgeerntet, wenn es noch trocken ist. Außerdem werden die Äpfel hier direkt verarbeitet und nicht im Kühlhaus eingelagert, Lagerfäule ist also kein Thema, hier müssen auch keine Mittel eingesetzt werden. Da sind wir also schon ziemlich nah dran am Bio-Apfel. Aber leider finde ich hier in der Gemeinde und in der ganzen Region kein größeres Gelände. Es müssten halt mindestens 15 Hektar sein. Aber hier in der Region gibt es nichts, da müssten wir wohl schon weiter südlich im Ländle schauen.

Magdalena Schneider: Das ist definitiv eine Hürde.

 

Gibt es noch weitere Hürden, mit denen Sie zu kämpfen haben, wenn es um mehr Nachhaltigkeit geht?

Magdalena Schneider: Das ist natürlich erst einmal ein finanzielles Thema. Wir könnten noch eine Solaranlage aufs Dach setzen, oder ein Elektroauto kaufen, mit dem wir auf den Acker fahren. Natürlich amortisiert sich das alles auch mit der Zeit, aber trotzdem muss das Kapital erst einmal vorhanden sein, um solche Anschaffungen vorzunehmen. Und dann ist da immer noch die Frage, inwieweit solche Maßnahmen überhaupt wirklich nachhaltig sind. Am Beispiel des Elektroautos: Ist es wirklich sinnvoll, ein vorhandenes, funktionierendes Auto zu entsorgen und ein neues zu kaufen, dessen Herstellung ja auch mit Umweltbelastung einhergeht? Oder sollte ich nicht lieber mit den vorhandenen Mitteln arbeiten? Man kann also aus verschiedenen Gründen nicht von heute auf morgen den Schalter umlegen und plötzlich ist man nachhaltig. Das ist ein Weg, den man langfristig denken und gehen muss.

 

Wo finden Sie Unterstützung für Ihre Projekte, gibt es Stellen, an die Sie sich wenden können?

Magdalena Schneider: Die Arbeit von food.net:z hilft uns sehr viel, hier werden ja immer Informationen zu aktuellen Fördermaßnahmen durchs Netzwerk gegeben. Aktuell prüfen wir, ob wir auch bei GeReMo Mitglied werden, da bekommt man ja auch viel Unterstützung durchs Netzwerk und die anderen Bauern.

 

Netzwerkarbeit ist also auch in diesem Bereich wichtig?

Georg Schneider: Absolut. Wir achten auch darauf, dass alles, was wir zukaufen – Erdbeeren oder Quitten für die von uns produzierte Marmelade oder Kartoffeln für unsere Stände auf den Wochenmärkten – direkt hier aus dem Ort stammt oder zumindest aus der Region. Und im Gegenzug findet man unsere Äpfel dann bei den anderen Bauern der Gegend in ihren Hofläden.

 

Lohnt nachhaltiges Verhalten sich auch finanziell?

Georg Schneider: Nicht ausschließlich, leider. Bio-Produkte müssen teurer sein, weil ich von einem Hektar Land nicht die gleiche Menge Bio-Äpfel ernten kann wie konventionelle Äpfel. Ob der Endverbraucher das zu schätzen weiß und bereit ist, den höheren Preis auch zu zahlen… da geht die Schere momentan noch ziemlich weit auseinander. Wenn ich jetzt meine gesamte Produktion auf Bio umstellen will, brauche ich neue Geräte, die in der Anschaffung in den fünfstelligen Bereich gehen. Und das nur für die Bodenbearbeitung. Ich kann natürlich auch meine Pflanzenschutzspritze für den konventionellen Anbau nicht auch für den Bio-Anbau verwenden, da brauche ich eine zweite. Ich brauche auch ein separates Kühlhaus, Bio-Äpfel dürfen nicht zusammen mit konventionellen gelagert werden. Das sind enorme Kosten. Und dann kommt noch der Zertifizierungsprozess dazu, der ebenfalls nicht umsonst ist.

Magdalena Schneider: Das stimmt natürlich. Wobei ich das auch nochmal aus einem anderen Blickwinkel konkretisieren möchte: Unsere nachhaltige Vermarktungsstrategie erlaubt uns eine höhere Marge, als wenn wir unsere Produkte an einen Großhändler abgeben würden. Aber natürlich muss man auch erst einmal die Kundschaft haben und erreichen.

 

Ist für Sie Ihre Eigenschaft als Familien-Traditionsbetrieb eigentlich ein Ansporn, für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen, oder wirkt sich das eher nicht so stark aus?

Georg Schneider: Natürlich wird sich das über die Generationen ändern. Im Moment fahre ich den Betrieb so, wie es auch schon mein Vater oder mein Großvater getan haben. Aber wir müssen auch nach vorne schauen, und wir wissen, dass es irgendwann auch anders gehen muss, wenn es weitergehen soll. Wir denken schon ganz stark über die biologische Produktion nach…

Magdalena Schneider: …Wir haben auch schon Kurse besucht…

Georg Schneider: …ja, einen Grundkurs Bio-Anbau…

Magdalena Schneider: …und wir planen mit dem Stiefkind-Projekt ja auch, das auf Demeter-Basis umzusetzen. Der Trend geht einfach in diese Richtung. Da macht es eben Sinn, wenn ich den Betrieb irgendwann einmal übernehmen soll, dass wir die gleiche Richtung einschlagen.